Tuesday 25 April 2017

(3) Economics and Freedom [deutsch] — Der Fluch des besten Arguments — The Curse of the Best Argument — Equilibrium and Optimal Outcomes

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Der Fetisch vom guten Gleichgewicht.

Der mystische Charme des Begriffs vom Gleichgewicht wird genährt vom Bild der Waage und der Suggestivkraft anderer Veranschaulichungen von Balance, Ordnung, Harmonie, Ausgewogenheit der Kräfte. 

Aber es ist eine unzulässige Verallgemeinerung, Gleichgewicht mit reibungsloser Vollkommenheit oder mit wohltuender Abgestimmtheit gleichzusetzen. 

Eine durch Hungersnot ausgezehrte Bevölkerung kann einen demografischen Gleichgewichtspunkt markieren. 

Gleichgewicht bezeichnet lediglich ein Kräfteverhältnis, bei dem die aufeinander wirkenden Faktoren, keine Veränderung mehr zu bewirken vermögen. Das hat für sich noch keine moralische Qualität. 

Noch gibt es Grund anzunehmen, dass Gleichgewichtszustände überwiegend zuträglich oder angenehm sind. 

Gleichgewichtstendenzen in der Natur setzen sich vorwiegend durch unbehagliche Zwänge und Kämpfe von beispielloser Grausamkeit durch.



(Well, Werner Herzog, there is harmony in the universe that benefits mankind, but it is man-made and hard fought for and only to be had by suppression of nature's mindless brutality. 

Lieber Werner Herzog, es gibt sehr wohl eine für uns spürbare und nützliche Harmonie im Universum, doch sie ist menschengemacht und in hartem Kampf erworben. Wir kommen in ihren Genuss, nur wenn wir die besinnungslose Brutalität der Natur überwinden.)

Es besteht allerdings eine Neigung, das Gleichgewichthafte zu idealisieren, so etwa in der Vulgär-Ökologie, aber auch in der ökonomischen Neo-Klassik, die der klassischen Mechanik mit ihren exakten Equilibrierungsformeln nachzueifern trachtet, um eine bestimmte Form von Wirtschaftsordnung durch eine der Menschheit beschiedene neue höchste Autorität — die Wissenschaft — zu beglaubigen.

Doch dieser Versuch greift zu kurz und schießt zugleich übers Ziel hinaus. Das übertrieben optimistische (panglossische) Bild von den Gleichgewichtsprozessen in der Wirtschaft, das uns die Neo-Klassik zeichnet,  verspricht zu viel, indem es zu wenig von dem berücksichtigt, was Wesentlich ist im Wirtschaftsleben. Gleichgewicht ist Stillstand. Nichts anderes beschreibt die ökonomische Gleichgewichtstheorie. Sie vergisst, die Kräfte, die den stetigen Wandel in der Wirtschaft antreiben. Sie ignoriert die Kräfte, die das Gleichgewicht verhindern, es durcheinanderbringen, und die Gleichgewichtstendenzen auf immer neue Zielpunkte hinorientieren. Darunter die sozialen und politischen Kräfte sowie die Eingriffe des Staats, die das Flussbett der Wirtschaft, seinen Lauf und die Hindernisse in ihm, unentwegt verändern.

Die Neo-Klassik will ihre Gegner mit dem besten aller Argumente aus dem Feld schlagen — mit einem vollkommenen Argument, das das ganze System der Wirtschaft erfasst und als einen Mechanismus kennzeichnet, der von sich aus auf ein planglossisches Gleichgewicht zusteuert.

Das Argument gelingt zwar auf eindrucksvolle Weise in den mathematischen Gleichgewichtsmodellen von Walras und Co. Die Wirtschaft lässt sich darin als ein System von gutartiger Perfektion abbilden. Allein, es ist dies nicht die Wirtschaft, von der wir umgeben sind im praktischen Leben.

Der Ehrgeiz, ein schlagendes Argument anzuführen, verleitet die Ökonomen dazu einen lebendigen, unvollkommenen, aber enorm anpassungsfähigen Organismus von widerspenstiger Komplexität auf ein Modell zu reduzieren, in dem alle Bestandteile einem vorgefassten Idealzustand des Gleichgewichts unterworfen werden. Entsprechend unrealistisch sind die Grundannahmen, in denen Zeit und Raum hinweggezaubert, die Produkte und Teilnehmer des Wirtschaftslebens von bizarrer Einförmigkeit, die Mechanismen, mit denen das Gleichgewicht herbeigeführt wird, weltfremd und die Menschen im Besitz vollkommenen Wissens sind.

Der Fluch des besten Arguments besteht darin, dass die ökonomischen Experten bei dem Versuch, ein unvollkommenes System durch ein Modell der Vollkommenheit abzubilden, das Wesen des Explanandums (des zu Erklärenden) aus dem Auge verlieren. 

Ökonomen sind daher meist Kenner eines Explanans (einer Methode des Erklärens von etwas), nicht aber des Explanandums, das sie in ihrer Berufsbezeichnung uns zu erklären versprechen.

Sie sind Theologen, wie ich an anderer Stelle argumentiere, Spezialisten in der Auslegung ihres Glaubens.

English version.

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