Thursday 4 February 2016

Das Paradoxon der Freiheit - Ein Vortrag - (3)

Fortsetzung des zweiten Teils.

Erst spät in der Menschheitsgeschichte, etwa um das 18. Jahrhundert, wird uns die Vorstellung zugänglich, dass Ordnung auch ohne bewusste Gestaltung entstehen kann. Die Idee, dass eine solche spontane Ordnung möglich ist und eine tragende Rolle sowohl in der Natur als auch im menschlichen Miteinander einnimmt, revolutioniert das Verhältnis der Menschen untereinander. In der Deutung, die ihr der klassische Liberalismus gibt, kommt sie der Aufforderung zur radikalen Demokratisierung gesellschaftlicher Ordnung gleich. 

Das Geschäft, eine zuträgliche Ordnung im Miteinander der Menschen zu erzeugen, wird nun zum Amt eines jeden freien Bürgers. Denn unterwirft sich der freie Mensch bestimmten, klug gewählten Regeln, so wird er zum Mit-Erzeuger einer Ordnung, die jener überlegen ist, welche dem Willen und der Macht eines Herrschers oder einer kleinen Herrscher-Elite entspringt.

Mit diesem Anspruch, der Pointe des klassischen Liberalismus, wird ein Standard ins Leben gerufen, anhand dessen sich Kritik und Begrenzung obrigkeitlicher Macht und Willkür rational begründen lassen.


Der neue Standard verlangt, die Möglichkeiten und Folgen der Herrschaft der Mächtigen gegen die einer Herrschaft des Rechts abzuwägen. Stellen wir uns nicht besser mit allgemeingültigen Regeln, die alle Menschen einbeziehen, als wenn wir abhängig sind vom Dünkel und Ermessen einiger Herrscherpersönlichkeiten?

Wenn die Antwort "ja" lautet, erfolgt eine enorme Aufwertung und weitreichende Emazipation des Individuums als unverzichtbarem Teilnehmer eines regelgelenkten Spiels, mit dem wir alle, ausgestattet mit neuen, größeren persönlichen Freiräumen, die uns bestmögliche Gesellschaft "erspielen".

Die dem Allgemeinwohl förderlichen Regeln begründen jene Zivilgesellschaft, die sich dadurch auszeichnet, dass das erwachsene Individuum zum Bürger avanciert. Das heißt er hat Anspruch auf die Begrenzung herrschaftlicher Eingriffe und auf die neuen, erheblichen Spielräume, die sich bei Beachtung dieser Regeln für seine eigene Initiative auftun. Im Schutz dieser Regeln macht sich die Freiheit des Bürgers breit.


Während wir damit den Triumph des Liberalismus verstehen, müssen wir uns schon im nächsten Schritt damit befassen, warum seinen Anhängern bald schon in der von ihm herbeigeführten Zeitenwende, in der heranbrechenden Ära wachsender Freiheit, ein solches Maß an politischem Misserfolg beschieden war.

Der Liberalismus verfehlt es, seine politischen Ziele zu erreichen und als eine dominante Kraft in den Regierungszirkeln zu verbleiben. Deshalb nämlich, weil er aus seinem Grundgedanken, dem der spontanen Ordnung, Versprechungen ableitet, mit denen er die politische Bevölkerung und das Wahlvolk nicht überzeugen kann. Wir wollen diesen fatalen Irrweg des Liberalismus anhand des Werks von Friedrich Hayek näher beleuchten.  

Das liberale Versprechen einer Gesellschaft, die sich vor allem dann zuträglich entfaltet, wenn ihr Zustand als spontane Ordnung gegen Eingriffe geschützt bleibt, löst bald schon erste Verdachtsmomente aus.

Eine spontane Ordnung ist nichts anderes als eine evolutionäre Ordnung. Das wird der Liberale ohne weiteres bestätigen. Doch wenn dem so ist, mit welchem Recht spricht Hayek von der spontanen Ordnung einer freien Gesellschaft ausschließlich als einem erfreulichen und begrüßenswerten Phänomen? Evolutionäres Wachstum schließt doch falsche Wege und böse Früchte nicht aus. Nur weil ein Gebilde emergenten, also evolutionären Ursprungs ist, dürfen wir nicht schon erwarten, dass es frei von Problemen sei. 


Gehen wir diesen Verdachtsmomenten genauer auf die Spur.


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